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Patientenorientierte, weniger intensive Tumornachsorge nach kurativer Behandlung von Plattenepithelkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich mit Hilfe einer webbasierten Selbstüberwachung zur Früherkennung von Rezidiven und Zweitkarzinomen – Pilotstudie Teil 2

Beschreibung

Diese multizentrisch, randomisierte Studie hat zum Ziel, eine webbasierte Selbstüberwachung von rezidiv-verdächtigen Anzeichen zu evaluieren, um die Tumornachsorge von Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom Patienten individueller und weniger intensiv zu gestalten. Deren Anwendung mit auslösenden Alarmen soll Rezidive und Zweitkarzinome frühzeitig erkennen. Die Studie soll dazu beitragen, die Nachsorgeuntersuchungen (inkl. Bildgebung) zu reduzieren, ohne Risiko einer erhöhten Sterberate.

Bereich

Weltweit gibt es jährlich ca. 900’000 Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom Patientinnen/-en (nachfolgend zur besseren Lesbarkeit = Patienten), mit einer Sterberate von über 400'000 pro Jahr. Etwa 70% der Patienten haben eine loko-regionär fortgeschrittene Tumorerkrankung. Trotz grossen Fortschritten in der Chirurgie, Strahlentherapie und Systemtherapie treten etwa 50-60% der fortgeschrittenen Tumore nach der Erstbehandlung loko-regionär wieder auf und bei 20-30% werden Fernmetastasen diagnostiziert. Weitere 2-4% dieser Patienten entwickeln mit jedem weiteren Jahr ein Zweitkarzinom.
Dementsprechend ist die Tumornachsorge wichtig, um ein Rezidiv oder Zweitkarzinom im Frühstadium zu erkennen und eine wirksame Therapie einzuleiten, behandlungsbedingte Folgeschäden zu beheben und körperliche Rehabilitation sowie psychosoziale Unterstützung anzubieten. Da keine evidenzbasierten Daten vorliegen, gibt es in den Leitlinien keinen klaren Konsens darüber, wie die Tumornachsorge durchzuführen ist. Es gibt nur retrospektive Studien, die meistens keinen Unterschied im Gesamtüberleben zwischen Patienten mit diagnostiziertem Rezidiv bei einer routinemäßigen Nachsorgeuntersuchung und symptombasierter Selbstzuweisung aufzeigen. Auch der Einsatz systematischer Bildgebungen ist umstritten. Häufig wurden dabei die logistischen, psychologischen und finanziellen Folgen, sowie die zunehmend relevante Kostenbewertung im Gesundheitssystem nicht mitberücksichtigt.

Die symptombasierte Selbstzuweisung beruhte bisher auf einer passiven Überwachung, d. h. die Patienten nehmen erst bei auffälligen Anzeichen Kontakt mit ihren Ärzten auf. Erst ein prospektiv durchgeführtes Selbstüberwachen von verschiedensten Anzeichen (Symptomen-Tracking) würde dessen systematische Evaluierung zur Erkennung von Rezidiven oder Zweitkarzinomen ermöglichen. Es wurden mehrere Studien mit Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom Patienten durchgeführt, um die Nutzerfreundlichkeit von solchen webbasierten Symptomen-Trackern zu analysieren; aber in keiner wurde ein automatisches Warnmeldesystem angewandt, und was noch wichtiger ist, in keiner wurde der klinische Nutzen überprüft. Es gibt nur begrenzte Belege dafür, dass der Einsatz digitaler Technologien die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die Gesundheitskompetenz bei Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom Patienten verbessert und gleichzeitig eine klinisch akzeptable Effizienz im Vergleich zu herkömmlichen Nachsorgestrategien beibehält. Zwei randomisierte Studien bei fortgeschrittenen soliden Krebsarten bzw. Lungenkrebs liefern robuste Resultate für den klinischen Nutzen und Überlebensvorteil von webbasierten Selbstüberwachungen mit automatischen Warn- und Feedbackfunktionen.
Die Gründe für die anhaltende Debatte über die optimale Häufigkeit, den Inhalt und die Dauer der Tumornachsorge bei Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom Patienten sind: 1) das Fehlen von Evidenz, 2) die Notwendigkeit eines maßgeschneiderten Ansatzes und 3) die unbeantwortete Frage, ob die Früherkennung eines Rezidivs oder Zweitkarzinoms bei asymptomatischen Patienten einen Einfluss auf das Überleben hat. Es besteht daher dringender Bedarf an einer Studie, in der eine individualisierte Nachsorgestrategie mit erhöhter Patientenmitwirkung und prospektiver Selbstüberwachung von rezidiv-verdächtigen Anzeichen (Symptomen-Tracking) mit den heutigen konventionellen Nachsorgestrategien verglichen wird.
Unser Gesamtprojekt besteht aus drei Teilen. Die Pilotstudie 1, welche dank Unterstützung durch die Schweizerische Krebsforschung, bereits angelaufen ist, konnte die problemlose Machbarkeit in drei Schweizer Zentren aufzeigen. Das hierin beschriebene Projekt betrifft Pilotstudie 2, welche die Einführung eines webbasierten Symptomen-Trackers evaluiert. Zum besseren Verständnis und weil Pilotstudie 2 als interne Pilotstudie geplant ist, werden im Folgenden jedoch auch Aspekte der Hauptstudie beschrieben, welche zum Ziel hat, die klinischen Auswirkungen einer individualisierten, weniger intensiven Nachsorge mit Symptomen-Tracker im Vergleich zu einer Standardnachsorge bei Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom Patienten zu bewerten.

Laufzeit des Projekts

39 Monate

Involvierte Berufsgruppen

Aerzteschaft, Psycho-Onkologie

Eignung

Primäres Ziel der Hauptstudie ist es, festzustellen, ob eine individualisierte, weniger intensive Tumornachsorge mit prospektivem Symptomen-Tracking einer konventionellen Nachsorge bei Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom Patienten in Bezug auf das Überleben, nicht unterlegen ist. Weitere wichtige Endpunkte sind das systematische Erfassen von Lebensqualität, Folgeschäden und Kosten.

Zielsetzung der Pilotstudie 1 ist es die Machbarkeit und die Compliance zu einem papierbasierten Symptomen-Tracking einer individualisierten, weniger intensiven Tumornachsorge im Vergleich zu einer konventionellen Nachsorge zu überprüfen.

Zielsetzung der Pilotstudie 2 ist die Vorbereitung auf die Hauptstudie. Die spezifischen Ziele sind: 1) das Einführen und Etablieren eines webbasierten Symptomen-Trackers zur monatlichen Selbstüberwachung von rezidiv-verdächtigen Anzeichen; 2) die Erhebung von Akzeptanz und Compliance; 3) die Bewertung der Sicherheit des Weglassens von jährlichen Routine-CTs der Lunge in der individualisierten, weniger intensiven Nachsorge; und 4) die Analyse, ob die individualisierte, weniger intensive Nachsorge Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheitskompetenz der Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom Patienten hat.

Ablauf

Die Randomisierung findet sechs Monate nach kurativer Behandlung von Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom Patienten mit Tumorstadium II-IV ohne Fernmetastasen in Vollremission über eine Zeitdauer von 21 Monaten statt. Die Nachsorge beträgt 18 Monate. Die Patienten werden in den experimentellen (individualisierte, weniger intensive Nachsorge) oder Kontrollarm (konventionelle Nachsorge) eingeschlossen.
Die vorab festgelegte Probandengrösse für die Sicherheitsanalyse betreffend Weglassen der Routine-CTs der Lunge beträgt 200 Patienten. Mit 12 Zentren aus der Schweiz, drei aus Deutschland und einem aus den Niederlanden werden wir in der Lage sein die erforderliche Anzahl Patienten zu rekrutieren. Für den primären Endpunkt der Hauptstudie beträgt die Gesamtanzahl 550 Patienten. Das Protokoll der Studie wurde von der Ethikkommission genehmigt.

Methodik

Experimenteller Arm:
Diese Nachsorgestrategie sieht nur vier klinische Untersuchungen ohne routinemäßige Bildgebungen vor. Die Patienten erhalten eine intensive Vor-Ort-Schulung zur Erkennung und Graduierung von rezidiv- und zweitkarzinom-verdächtigen Anzeichen und für das monatliche Ausfüllen des webbasierten Symptomen-Trackers. Zusätzlich werden Lernvideos angeboten.
Es wird eine automatische Erinnerung zum Komplettieren des Symptomen-Trackers, und bei Verschlechterung der vordefinierten Anzeichen, erhöhter Rezidivangst oder Nichtausfüllen, eine Warnmeldung mit Empfehlung zu einer ausserordentlichen Kontrolle im Studienzentrum an den Patienten und das Zentrum via SMS/Email gesendet.
In der Pilotstudie 2 werden die Patienten ihre Anzeichen überwachen, indem sie den oben beschriebenen Symptomen-Tracker in einer webbasierten Version ausfüllen.

Kontrollarm:
Die konventionelle Nachsorge sieht sieben klinische Untersuchungen und zwei routinemäßige Bildgebungen vor. Die Patienten erhalten die gleiche Schulung wie im experimentellen Arm. Sie werden angehalten ihre Anzeichen monatlich über die Webanwendung zu erfassen; es werden aber weder Erinnerungen noch Warnmeldungen generiert.

Es ist anzumerken, dass Pilotstudie 1 und 2 alle Abläufe und Datenerfassungen der Hauptstudie nachahmen, sodass das hierin beschriebene Projekt bei erreichtem Ziel nahtlos in die Hauptstudie übergehen kann.

Aufwand und Kosten

Die Pilotstudie 1 wird von der Stiftung Krebsforschung Schweiz mit einem Beitrag von CHF 249'900.- finanziert. Diese Mittel werden für die Durchführung der Pilotstudie (Machbarkeit) verwendet, die in 10/2022 begann.

Geschätzte Kosten für Pilotstudie 2 und Hauptstudie sind 3.3 Mio CHF, für welche Drittmittel gesucht werden.

Nutzen und Wirksamkeit

Mit diesem Projekt wollen wir in die Pilotstudie 2 übertreten, mit dem Ziel der Einführung eines webbasierten Symptomen-Trackers zur individualisierten, weniger intensiven Nachsorge und der Früherkennung von Rezidiven, Zweitmalignomen, und eventuell therapiebedingten Folgeschäden. Außerdem können wir die Sicherheit bezüglich Weglassen einer Lungen-Bildgebung bewerten. Die Resultate aus Pilotstudie 2 werden bereits nützliche Erkenntnisse zur Akzeptanz dieses patientenorientierten Ansatzes in einer weniger intensiven Tumornachsorge bei Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom Patienten aufzeigen.

Die Gesamtstudie wird:

  • qualitativ hochwertige Daten liefern, die den Patienten und dem medizinischen Personal direkt zugutekommen, indem erstmals evidenzbasierte Tumornachsorge-Leitlinien erstellt werden können; 
  • Ergebnisse mit sich bringen, welche Vor- resp. Nachteile verschiedener medizinisch- und patienten-initiierten Untersuchungen bei der Tumornachsorge verdeutlichen;
  • den hohen Wert der Patientenmitwirkung in der Tumornachsorge aufzeigen;
  • zur Verbesserung der Kosteneffizienz in der Tumornachsorge beitragen; und
  • den Weg für zukünftige Studien von telemedizinischen Möglichkeiten in der Tumornachsorge auch bei anderen Krebsarten ebnen.

Interessensverbindung

Keine

Weitere Informationen und Kontakt

Prof. Dr. med. Roland Giger
Vize-Direktor, Chefarzt

Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie
INSELSPITAL, Universitätsspital Bern, Universität Bern

Anna-Seiler-Haus
3010 Bern

Phone +41 (0)31 632 29 31
Fax +41 (0)31 632 88 09
E-Mail: [email protected]

 

Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Inselspital, Universitätsspital Bern, Universität Bern, Bern
Prof. Dr. med. Roland Giger
HNO, Inselspital, Bern
3010 Bern

E-Mailroland.giger
Tel+41 31 632 29 31

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