FMH – Berufsverband
 
Projekte und Grundlagen
Online-Plattform für Qualitätsinitiativen in der Medizin

Eine digitale Plattform, die es den Patientinnen und Patienten ermöglicht, während des Spitalaufenthalts ihre medikamentöse Behandlung einzusehen.

Beschreibung

Es ist von grundlegender Bedeutung, dass Patientinnen und Patienten ihre medikamentöse Behandlung verstehen. Derzeit können sie die ihnen im Spital verabreichten Medikamente nicht einfach einsehen. Wir haben daher auf der digitalen Plattform für die Patientinnen und Patienten unseres Spitals eine neue Funktion entwickelt, die es ihnen ermöglicht, die Medikamente, die ihnen während ihres Spitalaufenthalts verabreicht werden, in Echtzeit zu sehen und zu verstehen.

Der innovative Aspekt des Projekts besteht in der Einführung eines Krankenhausinformationssystems (KIS), um den Patientinnen und Patienten in Echtzeit einen vollständigen Überblick über ihre medikamentöse Behandlung im Spital zu geben und ihnen gleichzeitig von klinischem Fachpersonal und Peer-Patienten zusammengestellte und an sie gerichtete ausgewählte und verständliche Informationen zu vermitteln.

Dieses neue Tool unterstützt die Einbeziehung der Patientinnen und Patienten in ihre medikamentöse Behandlung und ist integraler Bestandteil der Strategie zur Verbesserung von Pflegequalität und Spitalerfahrung.

Bereich

Das digitale Tool zur Echtzeitanzeige der im Spital verschriebenen und verabreichten Medikamente soll von Januar 2022 bis September 2023 allen Patientinnen und Patienten des Universitätsspitals Genf zur Verfügung stehen.

Laufzeit des Projekts

Januar 2022 bis September 2023

Involvierte Berufsgruppen

Apotheker, Ärztinnen, Krankenpfleger, Informatikerinnen, Patienten als Partner

Eignung

Dieses Tool steht allen Patientinnen und Patienten des Universitätsspitals Genf zur Verfügung.

Ablauf

Das richtige Verständnis der Patientinnen und Patienten für ihre medikamentöse Behandlung ist ein zentrales Anliegen für eine gute Therapieadhärenz und einen erfolgreichen Übergang in die Pflege bei der Entlassung aus dem Spital.

In diesem Zusammenhang sind, wie die Weltgesundheitsorganisation betont, die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten und ihre Einbindung in ihre Behandlung wesentliche Punkte, auf die unsere Gesundheitseinrichtungen und -systeme zunehmend Wert legen müssen (1,2). Studien haben die positiven Effekte und die Auswirkungen auf die Gesundheit gezeigt, wenn Patientinnen und Patienten aktiv in ihre Therapie einbezogen werden. Der Begriff der Adhärenz beinhaltet die Verbesserung der Kommunikation, ein gutes Verständnis der Behandlungen sowie eine positive Verstärkung der Beziehung zwischen den Patientinnen und Patienten und den Gesundheitsfachkräften (3,4). Eine Voraussetzung für diese Einbeziehung ist daher die Befähigung der Patientinnen und Patienten, indem sie klare und leicht verständliche Informationen erhalten. In Bezug auf die medikamentöse Behandlung ist bekannt, dass Personen, die klare und verständliche Empfehlungen und therapeutische Ratschläge erhalten haben, sich eher an die Behandlung halten (4).

Während eines Spitalaufenthalts ist die Einbeziehung der Patientinnen und Patienten in die medikamentöse Behandlung entscheidend für eine gute Weiterführung der Behandlung nach der Rückkehr ins eigene Zuhause. Derzeit hat eine Person im Spital jedoch keine Möglichkeit, sich selbständig einen für sie verständlichen Überblick über alle medikamentösen Behandlungen zu verschaffen, die ihr während ihres Spitalaufenthalts verschrieben und verabreicht werden. Die Medikamente werden unverpackt verteilt, und es gibt keine schriftlichen Unterlagen, auf die man sich beziehen könnte. Die hospitalisierte Person bleibt somit Patient und Empfänger von Pflegeleistungen, statt Partner in der Therapie zu werden.

Vor diesem Hintergrund wurden nachstehende Projektziele formuliert.

Folgendes soll für die Patientinnen und Patienten geleistet werden:

  • Entwicklung eines sicheren digitalen Tools, mit dem alle Patientinnen und Patienten in Echtzeit, einfach und selbständig die Behandlungen einsehen können, die sie während ihres Spitalaufenthalts täglich erhalten.
  • Bereitstellung einfacher und verständlicher Informationen über die ihnen im Spital verabreichten Medikamente, damit die Behandlung besser verstanden und angenommen wird.
  • Förderung der therapeutischen Beratung und der Entlassungsvorbereitung, um die Therapieadhärenz zu erhöhen.
  • Einbezug von Patientinnen und Patienten als Partner in ihre medikamentöse Versorgung über die gesamte Behandlung hinweg – einschliesslich des Spitalaufenthalts.

Für pflegende Angehörige:

  • Die Möglichkeit, ihre Angehörigen im Spital im Umgang mit ihrer Behandlung zu begleiten und zu unterstützen.
  • Antizipation und Vorbereitung der medikamentösen Behandlung bei der Rückkehr nach Hause.

Für Gesundheitsfachkräfte:

  • Unterstützung der therapeutischen Beratung von Patientinnen und Patienten im Spital und Vorbereitung der Entlassung.
  • Unterstützung der medikamentösen Einstellung vor, während und nach einem Spitalaufenthalt.

Methodik

Um den Bedarf genauer zu ermitteln, wurden Fokusgruppen gebildet und eine Umfrage unter Patientinnen und Patienten unseres Spitals durchgeführt, um mehr über ihre Erwartungen in Bezug auf Informationen über Medikamente während des Spitalaufenthalts zu erfahren (5).

Ein Apotheker führte Leitfadeninterviews mit 39 Patientinnen und Patienten aus den Abteilungen Medizin, Chirurgie und Rehabilitation durch. Sie waren im Durchschnitt 66 Jahre alt [mindestens 19, höchstens 93] und erhielten am Tag des Interviews 11,4 ± 1,2 Medikamente.

Die Ergebnisse zeigten, dass 61% der befragten Personen einen mittleren bis niedrigen Kenntnisstand über die Bezeichnung der im Spital erhaltenen Medikamente hatten. Nur 54% wussten gut über die Indikationen ihrer Medikamente Bescheid, und 46% waren der Meinung, dass sie während ihres Spitalaufenthalts nicht ausreichend über Medikamente informiert wurden. Eine grosse Mehrheit (88%) dieser Patientinnen und Patienten gab an, dass sie während des Spitalaufenthalts gerne eine Liste der ihnen verschriebenen Medikamente einsehen würden. Ein Medium in digitalem Format wurde bevorzugt (70% der befragten Personen).

Im Rahmen von Fokusgruppen, die mit Patientinnen und Patienten nach ihrer Entlassung aus dem Spital durchgeführt wurden, zeigt sich, dass die Zeit im Spital von vielen hinsichtlich der Verabreichung der Medikamente als eine Art «Black Box» oder «Intermezzo» wahrgenommen wurde.

Das Verstehen der medikamentösen Behandlung ist für viele unserer Patientinnen und Patienten im Spital ein wichtiges Thema.

Auf Concerto, der dynamischen, interaktiven und sicheren digitalen Plattform für die Patientinnen und Patienten unseres Spitals, wurde eine neue Funktion mit dem Titel «Mes médicaments» (Meine Medikamente) entwickelt (6). Diese neue Schnittstelle ist mit unserem integrierten Patientendossier (Dossier patient intégré, DPI) verbunden und zeigt den Patientinnen und Patienten in Echtzeit die an diesem Tag verschriebenen und für sie geplanten Medikamente an. Sie enthält ausserdem allgemeinverständliche Informationen über Behandlungsgründe, Dosierung, Handelsnamen, internationale Freinamen (INN) sowie Illustrationen zur Darreichungsform der Medikamente.

Im Hinblick auf die IT umfasste dieses Projekt die Entwicklung von Mikroservices (APIs), die direkt in unser Krankenhausinformationssystem (KIS) eingebunden sind. Dadurch können nicht nur die ärztlichen Medikamentenverschreibungen, sondern auch die Planung und Verabreichung durch die Pflegeteams an die digitale Patientenplattform übermittelt werden. So können Patientinnen und Patienten den Verlauf ihrer Medikation im Spital in Form einer digitalen Behandlungskartei verfolgen.

Sie haben nun erstmals direkt von ihren persönlichen digitalen Geräten aus und in Echtzeit Zugriff auf ihre Verschreibungen aus dem Spital.

Die Nutzungsrate und das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer auf der Benutzeroberfläche werden täglich analysiert. Die Indikatoren zeigen seit der Einführung dieser neuen Funktion eine stetig ansteigende Kurve und deuten auf eine hohe Zufriedenheit seitens der Patientinnen und Patienten hin.

Parallel dazu hat eine interprofessionelle klinische Arbeitsgruppe, bestehend aus einer Patientin und klinischem Fachpersonal (Apothekerinnen, Ärzte, Krankenpflegerinnen und -pflegern), die häufigsten Behandlungsgründe für alle in unserem Spital verschriebenen Medikamente ausgewählt und verständlich formuliert (>1300 ATC). Diese Angaben sind nun mit den ATC-Klassen der Medikamente im Verschreibungssystem unseres Spitals verknüpft und werden auf der digitalen Plattform für Spitalpatientinnen und -patienten angezeigt. Sie finden sich auch auf der Behandlungskartei in Papierform wieder, die den Patientinnen und Patienten bei der Entlassung aus unserem Spital ausgehändigt wird. Die verschreibende Ärztin oder der verschreibende Arzt kann handschriftlich Behandlungen streichen oder hinzufügen, falls die Angaben auf der Behandlungskartei nicht der individuellen klinischen Situation der Patientin oder des Patienten entsprechen.

Ein Direktlink führt zur Patienteninformationsseite des Arzneimittel-Kompendiums der Schweiz, wenn die Person mehr Informationen über eines der ihr verschriebenen Medikamente wünscht.

Zudem wurden in unserem Informationssystem zusätzliche Überwachungs- und Qualitätsindikatoren eingeführt, um Änderungen der Behandlungsgründe durch die Ärztinnen und Ärzte und die Einführung neuer Medikamente in unser therapeutisches Arsenal nachverfolgen zu können. Diese Indikatoren werden dazu beitragen, unsere verständlich formulierten Informationen zu verfeinern und unsere Datenbank zu aktualisieren, um eine kontinuierliche Verbesserung zu erreichen.

Demnächst findet eine formelle Bewertung der Auswirkungen dieses Tools in Bezug auf die Zufriedenheit und die Verbesserung der Kenntnisse der Patientinnen und Patienten über ihre Behandlung im Spital statt, um zuverlässige Indikatoren für seinen Mehrwert für Patienten, Patientinnen und Angehörige zu haben.

Des Weiteren wird auch die Zufriedenheit der Ärztinnen und Ärzte und des Pflegepersonals gemessen, ebenso wie die Auswirkungen dieses neuen Tools auf die Anzahl und Art der Fragen, die Patientinnen und Patienten ihnen zu ihrer Medikation stellen.

Die Arbeit zur verständlichen Formulierung von Informationen für Patientinnen und Patienten wird ebenfalls mit unserer Expertengruppe und unseren Patienten als Partnern fortgesetzt, um diese Daten zu erweitern (signifikante Nebenwirkungen, Vorsichtsmassnahmen usw.). Wir möchten diese wichtige Arbeit auch mit anderen Einrichtungen teilen können, insbesondere in anderen Sprachregionen der Schweiz. Diesbezüglich stehen wir bereits mit einigen Einrichtungen in Kontakt. Unseres Wissens gibt es auf dem Schweizer Markt nichts Vergleichbares an validierten verständlich formulierten Arzneimittelinformationen für Patientinnen und Patienten. Unsere Daten in einem interoperablen Format könnten anderen digitalen Tools in Spitälern oder Gemeinden zugutekommen, beispielsweise dem gemeinsamen Medikationsplan des elektronischen Patientendossiers (EPD).

Wir planen in Kürze, für unsere Patientinnen und Patienten die Möglichkeit zu entwickeln, vor ihrem Spitalaufenthalt die zu Hause eingenommenen Medikamente anzugeben und diese Informationen direkt an unser integriertes Patientendossier (Dossier patient intégré, DPI) weiterzuleiten, damit diese während des Spitalaufenthalts für alle Fachkräfte ersichtlich sind und die Medikamentenanamnese bei der Aufnahme auf diese Weise unter Einbeziehung der Patientin oder des Patienten erleichtert wird. Diese Übersicht über die Medikamente vor, während und nach dem Spitalaufenthalt soll den Patientinnen und Patienten die Möglichkeit bieten, aktiv an ihrer Behandlung mitzuwirken, indem sie Zugang zu gezielten, personalisierten Informationen erhalten. Gleichzeitig wird auch die Kommunikation mit den Pflegekräften gefördert.

Aufwand und Kosten

Dieses Projekt wurde von der privaten Stiftung der HUG mit CHF 250'000 finanziert.

Nutzen und Wirksamkeit

Das Originelle und Innovative des Projekts besteht in der Einführung eines Krankenhausinformationssystems (KIS), um den Patientinnen und Patienten in Echtzeit einen vollständigen Überblick über ihre medikamentöse Behandlung im Spital zu geben und ihnen gleichzeitig von klinischem Fachpersonal und Peer-Patienten zusammengestellte und an sie gerichtete ausgewählte und verständliche Informationen zu vermitteln.

Wenn Patienten, Patientinnen und ihre Angehörigen einfach und selbständig auf ihre Arzneimitteldaten im Spital zugreifen können, sind sie besser in der Lage, die Behandlungen zu verstehen, die Rückkehr nach Hause zu bewältigen oder die medizinischen Teams um Unterstützung zu bitten.

Dieses neue Tool unterstützt also die Einbeziehung der Patientinnen und Patienten in ihre medikamentöse Behandlung. Es sorgt für eine bessere Kommunikation mit den medizinischen Teams, um die Rückkehr nach Hause besser vorbereiten zu können. Es ist integraler Bestandteil der Strategie unseres Spitals zur Verbesserung von Pflegequalität und Spitalerfahrung unserer Patientinnen und Patienten

Interessensverbindung

  1. World health organization. Medication Safety in Transitions of Care. Technical report. 2019https://www.who.int/publications/i/item/WHO-UHC-SDS-2019.9 (abgerufen 23.11.23)
     
  2. Castro EM, Van Regenmortel T, Vanhaecht K, Sermeus W, Van Hecke A. Patient empowerment, patient participation and patient-centeredness in hospital care: A concept analysis based on a literature review. Patient Educ Couns. 2016;99(12):1923–1939.
     
  3. De Boer D, Delnoij D, Rademakers J. The importance of patient-centered care for various patient groups. Patient Educ Couns. 2013;90(3):405–410.
     
  4. Robinson JH, Callister LC, Berry JA, Dearing KA. Patient-centered care and adherence: definitions and applications to improve outcomes. J Am Acad Nurse Pract. 2008;20(12):600–607.
     
  5. Krifa S, Gschwind Tran L, Blondon K, Foriel Destezet I, Kaestli LZ, Bonnabry P. Evaluation de la connaissance des patients de leurs traitements à l’hôpital et recueil de leurs besoins. GSASA Kongress 2022, Luzern, 8.–10. November 2022. 
    https://pharmacie.hug.ch/recherche-et-developpement/posters (abgerufen 23.03.24)
     
  6. CONCERTO: Die App für Patientinnen und Patienten. Centre de l’Innovation des HUG.
    ​​​​​​​https://www.hug.ch/centre-innovation/concerto-0 (abgerufen 23.03.24)

Weitere Informationen und Kontakt

Hôpitaux universitaires de Genève (HUG)
Dr. Laure-Zoé Kaestli
HUG Pharmacie – rue Gabrielle-Perret-Gentil 4
1205 Genf

E-Maillaure.z.kaestli
Tel+41795534761

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