Intraoperative Komplikationen sind ein wichtiger Faktor für den postoperativen Verlauf aus Patientensicht. Deren standardisierte Erfassung ist eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Massnahmen zur Steigerung der Qualität und Patientensicherheit. Deshalb haben wir die von unserer Forschungsgruppe neu-entwickelte Klassifikation für intraoperative Komplikationen, ClassIntra®, in einer prospektiven, internationalen Studie mit 2520 Patienten aus allen chirurgischen Disziplinen validiert mit dem langfristigen Ziel, eine standardisierte Komplikationserfassung in den klinischen Alltag zu implementieren.
Stationäre Patienten aus allen chirurgischen Disziplinen
ClassIntra® wird auch bereits in zwei laufenden klinischen Studien zur Erfassung der intraoperativen Komplikationen verwendet und trägt damit zu einer transparenten und vergleichbaren nationalen und internationalen Datenlage bei. Ein Trauma-Register, das zum Qualitätsmonitoring bei orthopädischen und traumatologischen Eingriffen aufgebaut wird, wird auch ClassIntra® zur Erfassung der intraoperativen Komplikationen verwenden.
Nach erfolgreicher Publikation planen wir, die Implementierung im klinischen Alltag voranzutreiben. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Schweizerischen Gesellschaften der Chirurgie und Anästhesiologie ist dabei vorgesehen. Die Implementierung einer standardisierten und routinemässigen Erfassung der intraoperativen Komplikationen ermöglicht zudem, die gesundheitsökonomischen Folgen der intraoperativen Komplikationen abzuschätzen und auch anzugehen.
Die Erfassung der Reproduzierbarkeit (Kriteriumsvalidität) von ClassIntra® erfolgte an Hand eines online Fragebogens, der an Chirurgen und Anästhesisten in allen beteiligten Zentren verschickt worden ist. Im Fragebogen waren 10 fiktive Fallbeispiele für intraoperative Komplikationen beschrieben, deren Schweregrad gemäss ClassIntra® von den Klinikern erfasst werden musste. Diese Einschätzungen wurden mit dem im Voraus vom Kernteam festgelegten Schweregraden verglichen. Zudem wurde bei den Klinikern die Praktikabilität auf einer 9-Punkte Skala mit Endbezeichnungen ‚Überhaupt nicht praktisch’ und ‚Sehr praktisch’ erfragt.
Zudem untersuchten wir in einer internationalen prospektiven Kohortenstudie, ob der Schweregrad der intraoperativen mit dem Schweregrad der postoperativen Komplikationen, der Hospitalisationsdauer und der Dauer des Eingriffes assoziiert ist (Konstruktionsvalidität). Zwischen Februar 2017 und Juli 2018 wurden an 6 Schweizer (darunter das Leitstudienzentrum am USB) und 12 internationalen Zentren insgesamt 2520 stationäre Patienten aus allen chirurgischen Disziplinen rekrutiert. Das betreuende chirurgische und anästhesiologische Team hat alle intraoperativen Komplikationen gemäss ClassIntra® in der für das Forschungsprojekt programmierten elektronischen Datenbank eingetragen. Die postoperativen Komplikationen wurden täglich bis zum Spitalaustritt nach Clavien-Dindo erfasst. Es wurde zudem ein Follow-up durchgeführt zur Erfassung der Wiedereintritte und der 30-Tage-Mortalität.
Der detaillierte Analyseplan wird als online-Appendix im British Medical Journal publiziert werden.
Die Finanzierung dieses Forschungsprojektes wurde durch eingeworbene Drittmittel gedeckt. Gerne möchten wir an dieser Stelle der Goldschmidt & Jacobson Stiftung, dem Forschungsfonds der Universität Basel für exzellente Nachwuchsforschende, der Stiftung für Forschung und Lehre in der Anästhesie, und dem Verenigde Spaar Bankenfonds aus den Niederlanden für ihre grosszügige Unterstützung danken.
Bedeutung dieser Resultate für die Patienten:
Die starke Assoziation der intraoperativen Komplikationen mit wichtigen Faktoren des postoperativen Verlaufes erlaubt eine frühzeitige Triage von Hochrisikopatienten. Wie die intraoperativen Komplikationen vermindert oder verhindert werden können, und was die Auswirkung von Massnahmen zur Verminderung intraoperativer Komplikationen auf das Outcome der Patienten ist, muss in Folgestudien untersucht werden.
Bedeutung dieser Resultate für die Kliniker:
Neben der Clavien-Dindo-Klassifikation für die postoperativen Komplikationen ermöglicht nun ClassIntra® erstmals auch die standardisierte Erfassung der intraoperativen Komplikationen. Die systematische Erfassung der intraoperativen Komplikationen kann für Qualitätsmonitoring genutzt werden und dient als Grundlage zur Entwicklung von Massnahmen zur Qualitätssteigerung.
Frau Prof. Rosenthal ist Mitarbeiterin bei F. Hoffmann-La Roche Ltd. Ihre Anstellung steht in keinem Zusammenhang mit den oben erwähnten Forschungsaktivitäten.
Bei Interessen an der Klassifikation oder detaillierterer Resultate können Sie sich gerne melden.
PD Dr. med. Salome Dell-Kuster
Kaderärztin Departement Anästhesie
Forschungsgruppenleiterin Departement Klinische Forschung
Universitätsspital Basel
salome.dell-kuster |