Am Ende eines Jahres überlege ich mir immer, welche Eindrücke und Erinnerungen wohl von Dauer sein werden. Ich frage mich, woran ich mich auch noch in zehn Jahren werde erinnern können, wenn ich zurückdenke. Es mag gewagt sein, aber ich würde schon heute behaupten, dass das Jahr 2024 ein Ausnahmejahr war. In vielerlei Hinsicht wird es sich in meine Lebenslinie einbrennen. Lassen Sie mich zurückblicken auf dieses für mich und die FMH höchst intensive und ereignisreiche Jahr. Ein Jahr voller gesundheitspolitischer Höhepunkte und Herausforderungen, die sich alle ab Juni manifestiert haben und letztlich die Weichen für die Zukunft neu gestellt haben.
Kosten und Finanzierung bewegen an der Urne
Am 9. Juni haben Volk und Stände mit der Ablehnung der Kostenbremse-Initiative ein klares Zeichen gesetzt: Fast 63% der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger waren gegen die starre Vorlage, die der Komplexität der Betreuung kranker Menschen nie gerecht geworden wäre. Sie sprachen sich mit ihrem «Nein» für eine qualitativ hochstehende und für alle zugängliche Gesundheitsversorgung aus. Befürworter und Gegner der Vorlage waren sich in den Diskussionen in einem Punkt immer einig: Es braucht eine Stärkung der Grundversorgung und der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe. Eine bedarfsgerechte, koordinierte Grundversorgung spart Kosten, führt zu einer besseren Qualität und gleichzeitig zu mehr Effizienz.
Am 24. November ging es an der Urne darum, den grössten Fehlanreiz in der Finanzierung zu beseitigen. Die Stimmbevölkerung hat sich mit gut 53% für die einheitliche Finanzierung von stationären und ambulanten Leistungen und damit für die längst überfällige Reform des KVG ausgesprochen. Diese höchst bedeutsame Änderung setzt der unfairen Kostenverschiebung zulasten der Prämienzahlenden ein Ende. Zudem fördert sie die integrierte Versorgung und vereinfacht damit den Zugang zur medizinisch sinnvollsten und günstigsten Behandlung. Der neue einheitliche Finanzierungsrahmen stärkt damit insbesondere die ambulante Medizin und Pflege. Und davon profitieren alle: Patientinnen und Patienten, Gesundheitsfachpersonen und Prämienzahlende. Nun können alle Akteure – egal ob Finanzierer oder Leistungserbringer - gemeinsam ambulant vor stationär vorantreiben.
Die FMH hat sich an beiden Kampagnen massgeblich beteiligt und es ist erfreulich zu sehen, was wir gemeinsam mit einer engagierten Ärzteschaft erreichen konnten. Beide Entscheidungen markieren Meilensteine, die das Engagement der FMH und ihrer Mitglieder für eine patientenorientierte und effiziente Gesundheitsversorgung bestätigen.
Ambulante Tarifrevision – Fortschritt mit Herausforderungen
Das neue Tarifsystem TARDOC hatte dieses Jahr seinen ganz grossen Auftritt: Nach jahrelangen Verhandlungen hatte der Bundesrat am 19. Juni entschieden, dass der TARMED definitiv per 1. Januar 2026 durch ein neues ambulantes Tarifsystem abgelöst wird. Die Teilgenehmigung von TARDOC und 119 ambulanten Pauschalen hatte er allerdings mit sehr komplexen Auflagen und einem sehr sportlichen Zeitplan versehen. Der Bundesrat verlangte das entsprechende Genehmigungsgesuch per Ende Oktober 2024.
Nach intensiven Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern und ebenso intensiven FMH-internen Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen, war schliesslich auch die FMH bereit, das Gesamtpaket «Ambulante Tarife» sowie die dazugehörigen Begleitvereinbarungen zu unterschreiben. Das zuständige Gremium der FMH, die Delegiertenversammlung, stimmte dem Gesamtpaket schliesslich mit grosser Mehrheit zu. Damit wurde der Grundstein gelegt für die Weiterentwicklung sachgerechter Tarife – und einer gleichzeitigen zwingenden Überarbeitung der nicht sachgerechten Pauschalen unter Einbezug der Fachgesellschaften. Der neue Einzelleistungstarif TARDOC und die ambulanten Pauschalen können somit, die Genehmigung des Bundesrats vorausgesetzt, per 1. Januar 2026 eingeführt werden.
Neue Mitglieder des Zentralvorstandes und neue Strategie
Neben der gesundheitspolitischen Arbeit standen dieses Jahr auch interne Themen im Fokus. Die Ärztekammer-Delegierten haben im Juni das Präsidium und die Mitglieder des Zentralvorstandes für die Legislatur 2024-2028 gewählt. Gemeinsam mit den beiden neuen Mitgliedern, Dr. med. Michael Andor und Dr. med. Olivier Giannini, wird sich der Zentralvorstand mit frischem Elan der Umsetzung der neu beschlossenen Strategie 2025-2028 widmen. Der klare strategische Fokus und die definierten Ziele werden dazu beitragen, die Interessen der Ärzteschaft in einem derzeit äusserst dynamischen Umfeld noch besser und effektiver zu vertreten. Zu den drei Fokusthemen (a) ausreichend Fachkräfte, (b) erfolgreiche Ambulantisierung und (c) administrative Entlastung erarbeiten wir nun konkrete, handlungsorientierte Arbeitsschwerpunkte und Massnahmen.
Schweizerische Ärztezeitung: Quo vadis?
In den letzten Jahren musste dem Verlag immer wieder finanziell unter die Arme gegriffen werden. Letztendlich wurde ihm die Digitalisierung zum Verhängnis. Das anspruchsvolle Projekt „Swiss Health Web“ konnte nicht finanziert werden und wurde zum Auslöser für den Konkurs des Verlags.
Dennoch bleibt die SÄZ unser offizielles Publikationsorgan. Wir haben denn auch innerhalb kürzester Zeit diese digitale Version der SÄZ als Übergangslösung entwickelt, die Sie aktuell vor Augen haben. Seit August erscheint diese alle zwei Wochen in einer kompakteren Form und ist auch auf der FMH-Webseite abrufbar. Gleichzeitig arbeiten wir an der Konzipierung der zukünftigen SÄZ, die beliebte Elemente des traditionellen «Gelben Heftes» übernehmen soll und dabei den Fokus auf die Bedürfnisse der Leserschaft legt.
Von Möglichkeiten zu Chancen
Ich möchte mit Albert Einstein schliessen, der seinerzeit gesagt hatte: "Inmitten von Schwierigkeiten liegen Möglichkeiten."
Ja, Schwierigkeiten – oder motivierender ausgedrückt: Herausforderungen – gab es dieses Jahr einige. Wir dürfen aber heute stolz zurückblicken und erkennen: Wir haben zahlreiche Möglichkeiten in Chancen und Erfolge umgewandelt. Dank dem Vertrauen und der Unterstützung unserer Mitglieder konnten wir in diesem Jahr viel erreichen und wir haben uns mit Engagement für eine starke Ärzteschaft und ein leistungsfähiges Gesundheitssystem eingesetzt. Nun gilt es, diesen Schwung und die Dynamik der letzten paar Monate ins neue Jahr mitzunehmen. Denn auch das Jahr 2025 wird uns herausfordern. Ich denke da zum Beispiel an die Vorbereitungen zur Einführung des neuen Tarifsystems oder an die vielen Geschäfte im Parlament, die unseren Berufsalltag beeinflussen werden – sei es positiv oder negativ –, und die wir deshalb aktiv angehen müssen.
Lassen Sie uns gemeinsam mit viel Optimismus ins neue Jahr starten und im Sinne von Albert Einstein Hindernisse als Möglichkeiten sehen, um über uns hinauszuwachsen. Ich danke allen, die mit uns den Weg gegangen sind und mit uns zuversichtlich in die Zukunft schreiten.
Ihnen wünsche ich besinnliche Festtage und einen erfolgreichen Start ins neue Jahr.