Die Digitalisierung verändert das Gesundheitswesen in rasantem Tempo und mit ihr auch die Art und Weise, wie medizinische Leistungen erbracht werden. Telemedizin ist längst mehr als eine Notlösung für Patientinnen und Patienten, die nicht persönlich in die Praxis kommen können, sondern hat sich zu einer eigenständigen und sinnvollen Ergänzung der klassischen Behandlung entwickelt. Sie ermöglicht eine zeit- und ortsunabhängige ärztliche Konsultation und erleichtert insbesondere in ländlichen Regionen oder für mobil eingeschränkte Personen den Zugang zur medizinischen Versorgung. Gleichzeitig fördert sie die interdisziplinäre Zusammenarbeit, indem sie den Austausch zwischen Fachärztinnen und Fachärzten vereinfacht.
Seit 2023 ist die Telemedizin explizit in der Standesordnung der FMH verankert. Damit ist klargestellt, dass eine Beratung oder Behandlung über digitale Kommunikationsmittel möglich ist, sofern die ärztliche Sorgfaltspflicht gewährleistet bleibt. Dies bringt allerdings auch neue Herausforderungen mit sich, denn die telemedizinische Konsultation unterscheidet sich in mehreren Punkten von der klassischen Behandlung vor Ort.
Rechtliche und ethische Rahmenbedingungen
Die Telemedizin unterliegt denselben berufsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Vorgaben wie die klassische Behandlung in der Praxis. Besondere Bedeutung kommt der Aufklärungspflicht zu, denn Patientinnen und Patienten müssen über die spezifischen Gegebenheiten der Telemedizin informiert werden, etwa über Datenschutzrisiken oder technische Limitationen. Auch ihr Einverständnis muss dokumentiert werden, insbesondere wenn die Konsultation aufgezeichnet oder personenbezogene Daten übermittelt werden. Die Identifikation aller Beteiligten ist eine weitere essenzielle Voraussetzung für eine sichere telemedizinische Behandlung. Während in der Praxis der persönliche Kontakt für Klarheit sorgt, muss bei der digitalen Konsultation sichergestellt werden, dass die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt sowie die Patientin oder der Patient identifizierbar sind.
Ein besonders sensibler Bereich ist der Datenschutz. Gesundheitsdaten gehören zu den besonders schützenswerten Personendaten, weshalb bei der Übertragung und Speicherung höchste Sicherheitsstandards eingehalten werden müssen. Ärztinnen und Ärzte sollten ausschliesslich zertifizierte und verschlüsselte Kommunikationslösungen verwenden und sicherstellen, dass Patientendaten nicht unbefugt weitergegeben werden. Die FMH stellt hierzu konkrete Empfehlungen bereit, etwa zur Nutzung von Cloud-Diensten oder zur sicheren Archivierung von digitalen Gesundheitsinformationen.
Anforderungen an die ärztliche Praxis
Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen sind auch praktische und technische Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implementierung der Telemedizin entscheidend. Eine stabile und sichere IT-Infrastruktur bildet die Grundlage für jede telemedizinische Konsultation. Videogespräche sollten in einer hohen Qualität und ohne Unterbrechungen stattfinden, um eine verlässliche Diagnosestellung zu ermöglichen. Zudem muss das Praxispersonal entsprechend geschult werden, sowohl im Umgang mit den digitalen Systemen als auch in Bezug auf Datenschutz und organisatorische Abläufe. Auch die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten spielt eine zentrale Rolle. Die Gesprächsführung über digitale Kanäle unterscheidet sich von der persönlichen Interaktion, weshalb es wichtig ist, dass Ärztinnen und Ärzte sich auf diese veränderte Situation einstellen und gezielt Techniken der digitalen Gesprächsführung erlernen.
Eine weitere Frage ist, welche medizinischen Leistungen sich für die Telemedizin eignen und welche nicht. Während die Beratung bei chronischen Erkrankungen, die Besprechung von Laborwerten oder die Verlaufskontrolle nach einer bereits gestellten Diagnose häufig problemlos über Telemedizin erfolgen können, gibt es klare Grenzen. Eine körperliche Untersuchung kann digital nicht ersetzt werden, weshalb Ärztinnen und Ärzte sorgfältig abwägen müssen, wann eine telemedizinische Konsultation sinnvoll ist und wann eine persönliche Untersuchung erforderlich bleibt. Die FMH empfiehlt, diese Entscheidung stets individuell zu treffen und sich dabei an der ärztlichen Sorgfaltspflicht zu orientieren.
Fazit
Die Telemedizin hat sich als wertvolle Ergänzung zur klassischen ärztlichen Behandlung etabliert und wird auch in Zukunft eine bedeutende Rolle in der medizinischen Versorgung spielen. Sie bietet Chancen für eine effizientere Patientenbetreuung, einen besseren Zugang zur medizinischen Versorgung und eine engere interdisziplinäre Zusammenarbeit. Gleichzeitig erfordert sie eine sorgfältige Umsetzung, um sowohl rechtliche als auch ethische Standards einzuhalten.
Für Ärztinnen und Ärzte bedeutet dies, dass sie sich aktiv mit den Anforderungen und Möglichkeiten der Telemedizin auseinandersetzen sollten. Technologische Entwicklungen werden die telemedizinischen Möglichkeiten weiter ausbauen, doch die ärztliche Sorgfalt und das Wohl der Patientinnen und Patienten müssen stets im Mittelpunkt stehen. Wer die Telemedizin gezielt und verantwortungsvoll einsetzt, kann die Qualität der Patientenversorgung verbessern und gleichzeitig die Effizienz der Praxisabläufe steigern. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist eine Entwicklung, die aktiv mitgestaltet werden sollte – mit einem klaren Fokus auf medizinische Qualität, Datenschutz und patientenzentrierte Versorgung.
Das Merkblatt Telemedizin bietet Ärztinnen und Ärzten eine praxisnahe Orientierungshilfe für die sichere und effiziente Umsetzung telemedizinischer Konsultationen. Sie deckt alle relevanten Themen ab, von rechtlichen Rahmenbedingungen über Datenschutz und technische Anforderungen bis hin zu praktischen Umsetzungstipps.
Sie finden das Merkblatt auf unserer Webseite unter www.fmh.ch/telemedizin