In ihrem Begrüssungsreferat zeigte sich Anne Sybil Götschi, Präsidentin medswissnet, sportlich und führte die Zuhörenden in die Welt des Fussballs und dessen Fans. Ähnlich wie im Fussball stünde auch die hausärztlich koordinierte Medizin immer wieder vor Herausforderungen. Die Managed Care-Szene, die als Graswurzelbewegung begonnen habe, sei jedoch gut gerüstet und habe enorm viel erreicht. Die koordinierte Hausarztmedizin bewege sich in der Champions League, sei ein Partner auf Augenhöhe und dürfe zu Recht stolz auf das Erreichte sein.
Politik in Zielen einig – Differenzen bei Umsetzung
Auf den ersten Blick zuversichtlich stimmten denn auch die Stellungnahmen der Vertreterinnen und Vertreter der fünf grössten Parteien zur koordinierten Versorgung. In den Zielen besteht unter ihnen offenbar weitgehend Einigkeit. Sie rückten die medizinische Qualität ins Zentrum, möchten Fehlanreize vermeiden, einen besseren Datenaustausch, Abbau von Bürokratie, mehr Zusammenarbeit und Koordination unter den Playern, Massnahmen gegen den Fachkräftemangel, tiefere Kosten und mehr Freiheit bei der Prämiengestaltung.
Die anschliessende Diskussion, moderiert von Felix Schneuwly, Head of Public Affairs Comparis, zeigte dann aber doch unterschiedliche Positionen bei der Umsetzung. Umstritten war beispielsweise das Thema der im Massnahmenpaket 2, Art. 35 und 37 vorgesehenen zusätzlichen Leistungserbringer. Während Andri Silberschmidt, Nationalrat FDP Schweiz, im Schaffen einer neuen Abrechnungs-Entität nur viel Aufwand ohne grossen Nutzen sah, fand Flavia Wasserfallen, Ständerätin SP Schweiz, den Ansatz zumindest prüfenswert. Hannes Germann, Ständerat SVP Schweiz, möchte vor allem die Selbstverantwortung stärken und Bevormundung der Patientinnen und Patienten durch den Staat reduzieren. Er lobt aber die Qualität der alternativen Versicherungsmodelle.
Was braucht die hausärztlich koordinierte Versorgung?
Felix Huber, Präsident mediX Schweiz, plädiert dafür, dass sich die Ärztenetze neben ihrer hohen Effizienz, ihrem Beitrag zur Koordination und ihrer hoch entwickelten medizinischen Qualität in Zukunft zusätzlich über die Exklusivität des Zugangs zur hausärztlichen Versorgung profilieren sollten.
Dafür brauche es mehr Hausärztinnen und Hausärzte, eine Liberalisierung der Zulassungsregeln, den Verzicht auf den koordinierten Leistungserbringer im Massnahmenpaket 2 sowie einen differenzierten Selbstbehalt bei alternativen Versicherungsmodellen (10 % Selbstbehalt, max. CHF 700 für AVM, bzw. 20% und max. CHF 1400 im konventionellen Modell).
Von der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) erwartet Huber einen Schub für Managed Care. Die vertraglichen Hausarztnetze würden EFAS am schnellsten umsetzen, da sie die Behandlung direkt steuern könnten. EFAS werde zu einer starken Differenzierung zwischen echten vertragsbasierten Hausarztmodellen und Pseudomodellen oder rein telemedizinischen Modellen führen.
Die FMH geht mit klarem Fokus in die Zukunft
Die neue Strategie der FMH, basiere primär auf den Schwerpunkten «ausreichend Fachkräfte», «erfolgreiche Ambulantisierung» und «administrative Entlastung», so Yvonne Gilli, Präsidentin FMH.
Beim TARDOC habe die FMH zwischen Zustimmung zum Tarifpaket oder Übernahme eines von Amtes wegen verordneten Tarifs entscheiden müssen. Jetzt brauche es vollen Einsatz für die Verbesserung der Pauschalen und eine optimale Unterstützung bei der Einführung am 1. Januar 2026.
Alle Probleme löse TARDOC aber nicht: gemäss Bundesrat sollen die Tarifpartner nur den Preis, aber nicht die Tarifstruktur verhandeln und das gefährde die Praxislabore (bezüglich Labortarif). Und bei der praxisambulanten Notfallversorgung möchte die FMH erreichen, dass eine Verrechnung der Notfallpauschale für alle ambulant tätigen Ärzte bei erfüllten Notfallkriterien möglich wird.
Die anschliessende Diskussion führte zur Erkenntnis, dass der TARDOC mit dem Kostenkorridor nicht überzeugt.
Kooperationen und Effizienz
In einer Parallelsession wurde darüber diskutiert, wie die Kooperation zwischen der Spitex, der Pflege und Ärzten in Zukunft aussehen soll. Aktuelle Best Practice gelebter Interprofessionalität wurden aufgezeigt, es wurde aber auch klar vermittelt, dass es für eine Langfristigkeit solcher Kooperationen neue Organisationsformen braucht und die Finanzierbarkeit geklärt sein muss.
Zudem wurden Ideen gesammelt, wie man die richtigen (die älteren) Versicherten in die echten Hausarztmodelle bekommt. Alle waren sich einig, dass es angenehmer wäre, die Patientinnen und Patienten im Frühling auf einen Wechsel des Versicherungsmodells anzusprechen.
In der dritten Session ging es um mehr Praxiseffizienz dank Managed Care. Das wichtigste Take Away aus dieser Session war, dass Daten fliessen sollen und die Zusammenarbeit nicht aus kontrollieren und kontrolliert werden bestehen darf. So soll die Administration beidseitig in den AVM reduziert und/oder sinnvoll integriert werden, um so die Partnerschaft neu zu definieren und frisch zu beleben.
Ärzte und Stil
Eine Auflockerung mit Augenzwinkern gab es am Freitagnachmittag, als Stilexperte Jeroen van Rooijen mit den Teilnehmenden über Stilregeln und Fragen wie «Kann ich auch in Jeans eine glaubwürdige Ärztin sein?» sprach. «Die Kleidung des Menschen ist keine unbedeutende Nebensache, sondern eine sehr mächtige Form der Kommunikation. Sie transportiert ein Lebensgefühl und drückt aus, was man darstellt und vermitteln möchte. Dies gilt nicht nur in der Freizeit, wo die Varianten der Selbstdarstellung heute praktisch endlos sind, sondern auch im beruflichen Umfeld“, so van Rooijen. Ganz uneins war man sich schliesslich beim Thema kurze Hosen für Männer; beim anschliessenden Social Dinner erschienen aber alle aufgrund der winterlichen Temperaturen in langen Hosen.
Praxiskapazitäten über das Hausarztmodell kommunizieren
Das Angebot für integrierte Versorgung sei unübersichtlich und für die Versicherten völlig intransparent, sagte Leander Muheim, CEO mediX zürich AG. Die Ärzteverfügbarkeit und der Zugang zu Praxen sei für neue Patientinnen und Patienten zunehmend ein Problem. Das Hausarztmodell Plus beinhalte daher neu auch die Veröffentlichung der Ärzteverfügbarkeit. Bei Comparis sei es nun möglich, Versicherungsmodelle zu finden welche mit der aktuellen Hausarztpraxis funktionieren, zu erkennen, für welche Versicherungsmodelle in der Region eine erhöhte Hausarztverfügbarkeit besteht oder Informationen über die Handhabung von Neuaufnahmen bei Praxen einzusehen.
Smart Managed Care
Mit Smart Managed Care, so Robin Schmidt, Mitglied GL mediX zürich AG sei es möglich, die Patientendaten unabhängig vom Praxis-Informations-System direkt aus der Datenbank datenschutzgerecht und strukturiert anderen berechtigen Personen zugänglich zu machen. So könnten beispielsweise bei telemedizinischen Anfragen aufgrund aktueller Patientendaten die Beratung verbessert werden. Aktuell seien insgesamt 400 Hausärzte beteiligt. Schmidt betonte, dass mit dem Angebot keine Konkurrenz zu EPD geschaffen werde, sondern vielmehr ein Booster für eine rasche Digitalisierung entstehe.
Dringende Massnahmen gegen den Fachkräftemangel
Eine ganze Reihe von Referaten waren dem Thema des Fachkräftemangels gewidmet. Gemäss Michelle Müller, Head of Consulting ZEAM GmbH, sei die Arbeit im Gesundheitswesen bei der Generation Z sehr beliebt, aber Belastung und unflexibel Arbeitszeiten stünden dem entgegen; insbesondere die mentale Belastung sei für viele zu hoch. Wer ein gutes Arbeitsklima, ein attraktives Arbeitsgebiet, Unterstützung durch die Arbeitgeber und eine sinnhafte Tätigkeit anbieten könne, habe aber gute Chancen, junge Leute im Job zu behalten.
Claudio Schmutz präsentierte die not-for-profit-Organisation PraxisPro, die Hausärzte in ländlichen Regionen bei der Nachfolge berät sowie junge Ärzte und Ärztinnen bei der Praxisübernahme unterstützt. Sie bietet auch den Kauf von Praxen an bis zum Übergang in die Selbständigkeit. Seit der Gründung im Jahr 2015 hat PraxisPro mehr als 10 Übernahmen vermittelt.
Monika Reber, Co-Präsidentin mfe, sieht ein grosses Problem im «Aussteiger-Trend». Sie will mit ihrem Masterplan in der Ausbildung, der Weiterbildung und bei den Rahmenbedingungen ansetzen. Sie forderte konkret mehr Medizinstudienplätze (insbesondere für die Haus- und Kinderarztmedizin), mehr Praxisassistenzstellen und ein «Impulsprogramm Hausarztmedizin». Hannes Bangerter, Vorstand Junge Haus- und Kinderärztinnen Schweiz, brachte den interessanten Ansatz in die Diskussion, dass der Facharzttitel AIM Hausarztspezifischer sein sollte.
Peter Indra, Chef Amt für Gesundheit Kanton Zürich, rief bei der Nachwuchsproblematik nach einem «Sturm auf die Bastille». Der Fachkräftemangel, der sich bis 2040 abzeichne, sei erschreckend. Er warnte: «Wenn die Grundversorgung ausfällt, dann gehen die Leute ins Spital.» Lösungsansätze sieht Indra in der Regionalisierung, Ambulantisierung, Digitalisierung und der Eigenverantwortung.