Soraya Amar
Dr. med., Blutspende SRK Schweiz AG
Adrian Bachofner
Dr. med., Universitätsspital Zürich
Daniel Bolliger
Prof. Dr. med., Universitätsspital Basel
Giorgia Canellini
Dr. med., Interregionale Blutspende SRK
Michael Daskalakis
PD Dr. med., Inselspital Bern
Charlotte Engström
Dr. med., Blutspende SRK Zürich
Sofia Lejon Crottet
Dr. phil. nat., Interregionale Blutspende SRK
Sophie Waldvogel
PD Dr. med., Hôpitaux Universitaires Genève
RH1 negative Erythrozytenkonzentrate (EK) sind eine wert volle Ressource, deren prozentualer Verbrauch in der Schweiz (20–30 %) die Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung (15 %) übersteigt. Dies führt mehrmals im Jahr zu Engpässen in der Versorgung von RH1 negativen Patient:innen. Ein gezielter und strikter Einsatz von RH1 negativen EK ist daher anzu streben und muss von allen transfundierenden Einrichtungen umgesetzt werden. Das Ziel ist, eine Alloimmunisierung im RH-System bei Patient:innen möglichst zu vermeiden. Diese Alloantikörper können bei Schwangerschaften oder bei Folgetransfusionen zu schweren unerwünschten Neben wirkungen führen,. z. B. eine fetale Anämie (Morbus hämo lyticus neonatorum) oder eine schwere hämolytische Transfusionsreaktion. Die Kombination mit anderen Allo anti körpern kann zudem zu Schwierigkeiten bei der Bereit stellung von kompatiblen EK führen. Die vorliegende Empfehlung beziehen sich primär auf die Transfusion von EK bei Erwachsenen (ab 18 Jahren) und gilt nicht für Kinder oder Neugeborene. Sie ergänzt die nationa len Empfehlungen, die in dem Dokument «Transfusions medizinische Laboruntersuchungen an Patientenproben» be schrieben sind [1]. Am Schluss dieser Empfehlung wird noch kurz auf die Berücksichtigung des RH1-Phänotyps bei der Transfusion von Thrombozytenkonzentraten eingegangen.
Risiken im Zusammenhang mit der Transfusion von nicht RH1 identischen Erythrozytenkonzentraten
a) Transfusion von RH1 negativen EK an RH1 positive Patient:innen
Solche Transfusionen führen jährlich mehrmals zu Ver sor gungsengpässen von EK der Blutgruppe RH1 negativ. Beim Patienten wird das Risiko für eine Immunisierung gegen RH4 (c), RH5 (e) und RH6 (f) [2] zudem erhöht.
b) Transfusion von RH1 positiven EK an RH1 negative Patient:innen
Es besteht ein erhötes Risiko einer Immunisierung gegen RH1, laut Schätzungen der Literatur: 20–50 % [3]. Das Risiko ist geringer bei Vorliegen einer Immunsuppression. Wird der Patient erstmals dem RH1-Antigen ausgesetzt, tritt die Alloimmunisierung frühestens nach 14 Tagen auf [4]. In den meisten Fällen ist der Anti-RH1 lebenslang im Plasma nach weisbar [5].
Ebenfalls besteht ein erhöhtes Risiko für eine Alloimmunisierung gegen RH2 (C) und RH3 (E) [2].
Transfusion von RH1 negativen EK [1]
Die ungerechtfertigteTransfusion von RH1 negativen EK an RH1 positive Patient:innen sollte eine Ausnahme bleiben und ist nur in Zusammenhang mit klaren klinischen Indikationen vertretbar (z. B. Notfalltransfusionen ohne bekannte RH1 Blutgruppe).
Medizinische Indikationen zur Transfusion von RH1 negativen EK [1]
Obligatorische Indikation
– Patient:in mit bekanntem Anti-RH1-Alloantikörper
Empfohlene Indikation
– RH1 negative(r) Patient:in, insbesondere Frauen im ge bärfähigen Alter.
– Beachtung des breiten/erweiterten Phänotyps bei RH1 positiven Patient:innen, die regelmässig transfundiert werden und für die es keine Alternative gibt (z. B. RH:1,-2,-3,4,5 [ccD.ee], Immunisierung etc.).
– Beachtung der RH/KEL-Kompatibilität von Spender:innen sowie Empfänger:innen i. R. hämatopoetischer Stammzelltransplantationen.
Zulässige Indikation
– Verabreichung von EK in Notfallsituationen, vor der Durchführung der Blutgruppenbestimmung, insbeson dere RH1.
Strategie bezüglich dem RH1 Phänotyp bei der Anwendung von Erythrozytenkonzentraten [6]
Jede Abgabestelle für EK (Vertrieb, Labor, Spital) sollte möglichst immer ABO und RH1 identisch transfundieren. Ausnahmen sind medizinische Indikationen. Eine jährliche Statistik über die transfundierten EK, nach ABO und RH1 Blutgruppen, soll geführt werden.
– Ein Transfusionslabor muss schnellstmöglich die notwen digen prätransfusionellen Untersuchungen durchführen und falls möglich eine Transfusionsanamnese (externe Blutgruppenkarte) der/des Patient:in anfordern.
– Die Transfusion von RH1 positiven EK ist bei Vorliegen von Anti-RH1 Alloantikörpern untersagt, auch falls dieser nicht mehr nachweisbar ist.
– Ohne Nachweis eines Anti-RH1 und im Falle einer massiven Blutung (> 4 EK in 1 Stunde bei einem Erwachsenen) und wenn der Bestand nicht weit über dem kritischen Schwellenwert liegt, ist es legitim RH1 positive EK zu transfundieren, wenn die RH1 Blutgruppe negativ oder noch unbekannt ist. Hierbei ist Folgendes zu beachten:
– Bei RH1 negativen Frauen im nicht gebärfähigen Alter oder Männern ist eine RH1-Umstellung nach 4 EK oder bei zu erwartenden Transfusionen von mehr als 4 EK in kurzer Zeit gerechtfertigt.
– Bei RH1 negativen Frauen im gebärfähigen Alter kann eine RH1-Umstellung erwogen werden wenn der Bestand den kritischen Schwellenwert erreicht hat und weiterhin ein massiver Blutbedarf absehbar ist [7, 8].
Folgende Vorgehensweise wird empfohlen
– Die Entscheidung einer RH1-Umstellung wird von der Laborleitung und/oder der zuständigen transfundieren den Ärztin bzw. Arztes getroffen.
– Die/Der verordnende Ärztin/Arzt wird informiert.
– Die inkompatible Transfusion wird in der Patientenakte dokumentiert und die notwendigen Nachkontrollen wer den definiert (ggf. Information des weiterbetreuenden Arztes/Ärztin (Hausarzt)
– Die Abteilung für Hämovigilanz ist zu informieren. Jede RH1-Umstellung (RH1 positives Blut an einen RH1 ne gativen Patient:innen) ist an Swissmedic zu melden [12].
– Im Falle einer RH1-Immunisierung muss die/der Patient:in eine Blutgruppenkarte erhalten und eine Meldung an Swissmedic erfolgen.
– Die Prävention mit RH-Immunglobulinen (RHIG) wird angesichts der Menge an Erythrozyten in einem EK nicht als sinnvoll erachtet.
Strategie bezüglich dem RH1 Phänotyp bei der Anwen dung von Thrombozytenkonzentraten (TK) [9]
– Bei Frauen im gebärfähigen Alter wird empfohlen, bei der Transfusion von TK den RH1-Phänotyp zu berücksichtigen. Wenn die Transfusion von RH1 inkompatiblen TK nicht zu vermeiden ist, wird die Gabe von RHIG empfohlen, um eine Alloimmunisierung möglichst zu vermei den. Eine Dosis von 300 µg ist ausreichend für mehrere unverträgliche RH1 positive TK, die über einen Zeitraum von 2 bis 4 Wochen transfundiert werden [9].
– Patient:innen mit Anti-RH1-Antikörpern können prob lemlos mit RH1 positiven TK transfundiert werden (1 TK enthält < 2 ml Erythrozyten)
Verwaltung des Bestands an RH1 negativen EK [10, 11]
Die Rücknahme von nicht transfundierten EK, insbesondere RH1 negative EK gemäss definierten Qualitätsanforderungen (z. B. Lieferung in validierten isothermen Transportkisten mit Temperaturüberwachung) sollte in bestimmten Situationen als Möglichkeit in Betracht gezogen werden, z.B. bei einem Protokoll mit massiven Blutungen oder bei Notfalllieferungen. Bei Patient:innen mit einer RH1-inkompatiblen allogenen Stammzelltransplantation sollte in einer internen Arbeits an leitung die Transfusionsstrategie geregelt sein. Diese Vorgehensweise muss mit den lokalen Ressourcen und den Bedürfnissen der anderen Patient:innen abgestimmt werden. Es wird jedoch empfohlen, in den 2 Monaten nach der Transplantation den RH1-Phänotyp der/des Spender:in und der/ des Empfänger:in zu berücksichtigen.
Die Varianten RHD*01W.1 (RHD*weak D Typ 1), RHD*01W.2 (RHD*weak D Typ 2), RHD*01W.3 (RHD*weak D Typ 3) oder RHD*09.04 (RHD*weak D Typ 4.1, RHD*DAR4) gelten als RH1 positiv, alle anderen RHD Varianten gelten aktuell als RH1 negativ. (Ausnahme: Frauen in nicht gebärfähigem Alter sowie Männer, bei denen der Genotypnicht bekannt ist)
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